Am 5. April 2025 wurde das Übungsgelände der Feuerwehr Strasshof zur Bühne für ein eindrucksvolles Großszenario im Rahmen der Schadstoff-Weinviertelübung 2025. Rund 220 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung (inkl. Darsteller:innen) und der ÖBB trainierten gemeinsam den Ernstfall.
Das angenommene Szenario hatte es in sich:
Ein LKW, beladen mit gefährlichen Flüssigkeiten (Essigsäurenanhydrid, Thioessigsäure, Wasserstoffperoxid 30%, Ammoniakwasser 25% ,Flusssäure 10% sowie Calciumhypochloit Pulver in Kanister) und einem Tankwagenanhänger (Chloroform), kollidierte an einem Bahnübergang mit mehreren Kesselwägen (Beladen mit Acetylchlorid & Toluol) der ÖBB. Zusätzlich wurden zwei PKWs in das Unfallgeschehen verwickelt. Dadurch kam es an mehreren Stellen zu einem unkontrollierten Austritt von Chemikalien. Insgesamt wurden 12 Personen verletzt, einige davon schwer – sie waren in den Unfallfahrzeugen eingeklemmt.
Der Notfallkoordinator der ÖBB informierte die Feuerwehr dass es einen Gefahrgutvorfall gegeben hat und der ÖBB-Einsatzleiter fuhr zum Einsatzort, in weiterer Folge unterstützte auch der ÖBB-Gefahrgutbeauftragte die Einsatzkräfte vor Ort.
Die Feuerwehr Strasshof übernahm unter der Einsatzleitung von Brandrat Lorenz Hummel als ersteintreffende Einheit die Lageerkundung, die Absperrung und die Menschenrettung.
Das rasche Identifizieren der austretenden Schadstoffe – es waren nicht alle Behälter beschädigt - war dringend nötig, um die Gefahren durch chemische Reaktionen beurteilen zu können. Die Verletzten mussten so schnell als möglich aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich gebracht und einer Notdekontamination unterzogen werden.
Nachalarmiert wurden daher umgehend der Schadstoffberatungsdienst für fachliche Expertise und Analyse, sowie die Spezialisten des Schadstoffzuges Gänserndorf. Um die weitere Ausbreitung zu verhindern wurde unter Chemieschutzanzügen der Schutzstufe 3 sofort mit dem Auffangen der ausgetretenen Chemikalien und dem Abdichten der beschädigten Behälter begonnen. Parallel dazu begannen die technischen Rettungsmaßnahmen zur Befreiung der eingeklemmten Personen - ebenfalls durch einen Trupp mit Vollschutzanzügen. Es wurde ein DEKO-Platz eingerichtet um verletzte und kontaminierte Personen in Zusammenarbeit mit der DEKO- Gruppe sowie dem Feuerwehrmedizinischen Dienst wenn nötig entkleidet, dekontaminiert und in weiterer Folge vom Roten Kreuz medizinisch versorgt.
Aufgrund möglicher chemischer Reaktionen der austretenden Substanzen war die richtige Wahl der Löschmittel von enormer Bedeutung.
Da einige Stoffe, vor allem Acetylchlorid (X338), mit Wasser reagieren würden, musste hier in nächster Instanz die Sicherstellung der ausreichenden Menge der erlaubten Löschmittel organisiert werden. Hierzu wurde das Universallöschfahrzeug der Betriebsfeuerwehr OMV Gänserndorf, u.a. mit 2000 kg Löschpulver bestückt, bereitgestellt.
In weiterer Folge trafen der Schadstoffzug des Bezirkes Mistelbach sowie die DEKO-Gruppe Poysdorf ein, diese ist für das Weinviertel zuständig und errichtete die zweite und größere voll funktionsfähige Dekontaminationsstraße. Somit konnten Verletzte, Einsatzkräfte und das eingesetzte Material je nach den Anforderungen nass oder trocken dekontaminiert werden.
Der Schadstoffzug Korneuburg unterstützte die bereits sehr geforderten Trupps mit Mannschaft und Gerät und Mitglieder des Schadstoffzuges Hollabrunn halfen bei der Kommunikation zwischen der Einsatzleitung und den Schadstoffzügen.
Neben der unmittelbaren Gefahrenabwehr wurde auch das Abdichten der leckgeschlagenen Behälter sowie das Umpumpen der gefährlichen Flüssigkeiten in sichere Gebinde geübt – eine Aufgabe, die höchste Konzentration und technisches Know-how erforderte.
Es wurde angenommen, dass aufgrund der akuten Gefahr durch die Ausbreitung der Ätzenden und giftigen Schadstoffwolke die Bevölkerung in der näheren Umgebung gefährdet sei, daher dazu aufgefordert wurde, in ihren Häusern zu bleiben und die Fenster geschlossen zu halten. Diese Information wurde von der Einsatzleitung über die Medien kommuniziert und unterstützt durch die Kradfahrergruppe verbreitet.
Neben den Schadstoffzügen stand ebenso die Führungsunterstützung des Bezirkes Gänserndorf mit dem Drohnenteam im Einsatz.
Drohnen sind ihm Großschadensfall eine unabdingbare Möglichkeit sich ein umfassendes Bild aus sicherer Entfernung zu erhalten und für den Einsatzleiter eine hervorragende Unterstützung um die Einsatzkräfte gezielt koordinieren können.
Nach rund drei Stunden intensiver Zusammenarbeit konnte schließlich „Übungsende“ verkündet werden. Der gesamte Ablauf verlief reibungs- und unfallfrei!
Ein besonderer Dank gilt Bezirkssachbearbeiter Viktor Böhm und seinem engagierten Team für die Planung und Ausarbeitung dieses herausfordernden und schweißtreibenden Szenarios. Ebenso danken wir den Darsteller:innen des Roten Kreuzes, die im Vorfeld intensiv auf ihre Rolle vorbereitet wurden und mit viel Realismus zum Gelingen beitrugen.
Auch die politische Prominenz überzeugte sich persönlich vom hohen Ausbildungsstand der Einsatzkräfte:
Bezirkshauptfrau Mag. Claudia Pfeiler-Bach, Bürgermeister Ludwig Deltl sowie Vizebürgermeisterin Julia Neidhart-Hermann statteten in Begleitung des Bezirksfeuerwehrkommandanten Oberbrandrat Georg Schicker der Übung einen Besuch ab und zeigten sich beeindruckt vom gelebten Zusammenspiel zwischen Feuerwehr, Rettung und der ÖBB.
Solche Übungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Vorbereitung auf den Ernstfall. Sie ermöglichen nicht nur die Optimierung interner Abläufe, sondern fördern auch die Schnittstellenarbeit zwischen den einzelnen Einsatzorganisationen – realitätsnah, fordernd und auf hohem Niveau.
Bilder: BFKDO Gänserndorf, FF Strasshof, SID-Team NÖ LFV